Bundesweiter Aufruf zum feministischen Streik am 8. März 2022

Aufruf zum feministischen Streik am 8. März 2022

Anmerkung: Wir sind ein Zusammenschluss verschiedener feministischer Streikgruppen und -bündnisse, die sich deutschlandweit vernetzen und vor Ort jeweils eigenständig arbeiten. Zwischen uns herrscht nicht in allen inhaltlichen und politischen Punkten Einigkeit. Das drückt sich in diesem Aufruf dadurch aus, dass an manchen Stellen unterschiedliche Begriffe oder Formulierungen nebeneinander stehen gelassen werden.

Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt. Wir streiken! Gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus

Wir rufen am 8. März, dem internationalen feministischen Kampftag / Frauenkampftag / Frauen*kampftag / Kampftag für Frauen und Queers zum feministischen Streik auf!

Wir sind Frauen / Frauen* / FLINTA* (Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Menschen). Wir leisten einen Großteil der unbezahlten Arbeit im Privaten, verdienen weniger Geld, sind häufiger von Altersarmut betroffen und Gewalt gegen uns steigt seit Jahren. Dazu gibt es historisch gewachsene gesellschaftliche Strukturen wie Rassismus und die Klassengesellschaft, von denen viele von uns mehrfach unterdrückt werden. Dazu befinden wir uns in einer tödlichen Klimakrise, rassistische Gewalt in Deutschland nimmt zu, Europas Grenzregime werden immer brutaler, antisemitischer Hass erfährt neuen Aufwind und neoliberale Politik sorgt für stagnierende Löhne, marode Schulen und das Streichen öffentlicher Sozialleistungen, während Mieten und Preise für den alltäglichen Konsum steigen. So kann es nicht weitergehen!

Um uns gegen diese Verhältnisse zur Wehr zu setzen und ökonomischen sowie gesellschaftlichen Druck aufzubauen, braucht es einen feministischen Streik! Weltweit kämpfen Feminist*innen für eine bessere Welt und legen gemeinsam ihre Arbeit nieder. Macht euch mit uns auf den Weg zum feministischen Generalstreik für eine solidarische Gesellschaft. 

Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt

Unsere Arbeit hält nicht erst seit der Covid-Pandemie unter prekärsten Bedingungen die Gesellschaft am Laufen. Kindererziehung, emotionale Fürsorge von Freund*innen und Familie, Hausarbeit oder die Pflege von Angehörigen erledigen im Privaten vor allem wir. Auch in der Kita, im Krankenhaus, im Altersheim oder der Assistenz werden Berufe hauptsächlich von uns ausgeführt, besonders von den migrantisierten Frauen / Frauen* / FLINTA* unter uns, die oft unter noch prekäreren Bedingungen arbeiten. Es fehlt zunehmend an Personal, Zeit, Material und geeigneten Räumen, um uns angemessen um die Menschen zu kümmern. Wir kommen an unsere körperlichen und psychischen Grenzen und bekommen nicht genug Sichtbarkeit, Anerkennung und Entlohnung.

Feministisch streiken!

Dieses Jahr werden wir bundesweit am 8. März einen feministischen Streik organisieren. Wir wollen die unbezahlte Sorgearbeit, die wir täglich leisten, niederlegen und gemeinsam mit Beschäftigten in Kitas, der Behindertenhilfe und anderen sozialen Einrichtungen für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. In diesen Berufen sind über 80% der Beschäftigten Frauen / Frauen* / FLINTA* und viele Aktivist*innen unserer Gruppen und Bündnisse sind dort selbst tätig. Doch die Belastung in diesen Berufen bekommen nicht nur die Beschäftigten zu spüren, sondern auch alle, die zuhause Sorgearbeit leisten, denn sie springen ein, wenn die Kita aufgrund von Personalmangel früher schließt, Angehörige keine Assistenz bekommen oder es keine Soziale Arbeit an der Schule gibt. Schlussendlich gehen gute Bedingungen in diesen Berufen uns alle etwas an, denn jede*r braucht früher oder später Hilfe und Unterstützung, egal ob im Krankheitsfall, im Alltag oder im Alter.

Gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus

Diese schlechten Bedingungen haben System: Kapitalistische Gesellschaften brauchen die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen / Frauen* / FLINTA* um reproduktive Arbeiten billig zu halten. Dabei werden Zeit und Mittel für Sorgearbeit (ob unsichtbar unbezahlt zu Hause oder unterbezahlt im Beruf) so weit reduziert, dass diese Arbeit nicht mehr dazu dienen kann, dass es den Menschen wirklich gut geht, sondern nur dazu, Menschen ausreichend fähig für den Arbeitsmarkt zu halten und lohnarbeitsunfähigen Menschen gerade so ein Überleben zu sichern. Darunter leiden Kinder, Patient*innen, Klient*innen sowie deren Angehörige, und natürlich die Beschäftigten, die systematisch ausgebeutet und bis über’s Limit überlastet werden.

Wehren wir uns gegen diese Verhältnisse! Lasst uns am 8. März gemeinsam unsere Arbeit niederlegen und auf die Straße gehen! Für uns selbst und in Solidarität mit allen anderen Menschen, die unter patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Strukturen leiden!

Unsere Befreiung können wir uns nur selbst erkämpfen und wir können es nur gemeinsam tun. Organisieren wir uns, um der kapitalistischen Vereinzelung die Stirn zu bieten und zu zeigen, dass wir viele sind! Dabei kämpfen wir für mehr als einen ausgeglichenen Beitrag zur Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern oder bessere Löhne für bezahlte Sorgearbeit. Wir kämpfen gegen patriarchale und rassistische Gewalt und für eine Veränderung hin zu einer Gesellschaft, in der gegenseitige Fürsorge und Anerkennung im Mittelpunkt stehen. Wir kämpfen dafür, dass wir ein selbstbestimmtes und sicheres Leben in einer solidarischen Gesellschaft führen können.

Lasst uns gemeinsam streiken!

Stellungnahme gegen Antisemitismus in feministischen Kontexten

Antisemitismus hat eine lange kontinuierliche Geschichte. Sei es ein Virus, der Kapitalismus oder das Patriarchat: am Ende sind es Juden*Jüdinnen, die direkt oder vermittelt für gesellschaftliche Schieflagen und Krisen verantwortlich gemacht werden. So haben sich auch durch die Corona-Krise vermehrt antisemitische Erzählungen weiter verbreitet. Umso mehr gilt es jetzt, sich entschieden und deutlich gegen jeden Antisemitismus zu positionieren.

Aus feministischer Perspektive scheint dies noch einmal besonders wichtig, da Juden*Jüdinnen in den aktuellen intersektional-feministischen Perspektiven oftmals keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Gegenteil werden auch hier jüdische Menschen, häufig vermittelt über den Staat Israel, zum Feindbild stilisiert. „Stellungnahme gegen Antisemitismus in feministischen Kontexten“ weiterlesen